Gestern Morgen noch flatterten im Nato-Hauptquartier in Brussel 30 Flaggen im Wind. Heute sind es schon 31: Das finnische Kreuz weht stolz zwischen der franzosischen und der estnischen Trikolore.

Der skandinavische Staat, der an Russland grenzt, beantragte den Beitritt zur Nato kurz nach der Invasion der Ukraine im vergangenen Jahr.

Die Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen. Finnland weiSs, dass es sich auf einen Kollisionskurs mit seinem groSsen Nachbarn begeben hat. Russische Minister haben damit gedroht, Atomwaffen in der Nahe zur finnischen Grenzen zu stationieren.

Aber die Finnen wissen bereits, wie gefahrlich Russland als Nachbar sein kann. Im Jahr 1939 nutzte Russland das Chaos des Zweiten Weltkriegs, um in Finnland einzufallen und es in einen Marionettenstaat zu verwandeln.

Die Finnen fugten den russischen Streitkraften schwere Verluste zu. Dennoch gab es bis Marz 1940 70.000 Tote und Finnland war gezwungen, 9 % der Flache des Landes aufzugeben. Ein groSser Teil dieses Territoriums ist immer noch in russischer Hand.

Danach weigerte sich Finnland jahrzehntelang, sich zwischen den USA und Russland zu entscheiden, da es neue ZusammenstoSse mit Russland furchtete, wenn es sich der Nato zu sehr annahern wurde.

Aber Putins Krieg in der Ukraine anderte alles. Fast 80% der Finnen stimmten dafur, dass es sicherer sei, der Nato beizutreten.

Manche sehen dies als einen schweren Schlag fur Putin. Ein Ziel seines Einmarsches in die Ukraine sei es gewesen, deutlich zu machen, dass Russland eine weitere Expansion der Nato in Richtung seiner Grenzen nicht duldet. Aber es scheint, dass der Krieg genau das Gegenteil bewirkt hat.

Andere sagen, dass Putin von dieser Nachricht wahrscheinlich nicht wirklich enttauscht sein wird. Im Gegenteil, er konnte davon profitieren.

Nur wenige Experten glauben, dass Putin sich durch das Vordringen der Nato an die russischen Grenzen wirklich bedroht fuhlt.

Aber die Angstmacherei vor der Bedrohung durch die Nato hat Putin geholfen, seinem Krieg einen Anstrich von Legitimitat zu verleihen. Jetzt wird er argumentieren, dass der Schritt Finnlands seinen Standpunkt bestatigt.

Ja: Vor dem Krieg gab es in Europa wenig Interesse an einem Konflikt mit Russland. Jetzt ist fast ganz Europa gegen Russland, selbst diejenigen, die vorher neutral waren.

Nein: Der russische Prasident war bereits darauf vorbereitet, Russland von Europa zu isolieren. Er hat beschlossen, dass seine Zukunft mit China ist. Die Feindseligkeit aus Europa liefert ihm lediglich den Stoff, mit dem er den russischen Nationalismus anheizen kann. 

Oder... Putin wird zweifellos versuchen, die Nato-Erweiterung als Propaganda zu nutzen. Aber Tatsache ist, dass die Nato jetzt vor seiner Haustur steht, und das wird seinen Handlungsspielraum in Zukunft einschranken.

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