Sollten wir alle Armeen abschaffen? Zu Beginn der Remembrance Week erregt der Vorschlag, allen gewaltvollen Kriegen ein Ende zu bereiten, wieder einmal Aufmerksamkeit.
Uber 100 000 Tote in Kriegsgebieten dieses Jahr
Sollten wir alle Armeen abschaffen? Zu Beginn der Remembrance Week erregt der Vorschlag, allen gewaltvollen Kriegen ein Ende zu bereiten, wieder einmal Aufmerksamkeit.
Um 11 Uhr an diesem Donnerstag herrscht im Vereinigten Konigreich Stille. Die Radiosender unterbrechen ihr Programm, Autos halten auf der StraSse an, Lehrer:innen beenden den Unterricht. Fur zwei Minuten kommt das hektische Leben zum Stillstand.
Auf diese Weise wird in GroSsbritannien dem Waffenstillstandstag gedacht: in der elften Stunde am elften Tag des elften Monats ist der Jahrestag des entscheidenden Augenblicks, als im Jahr 1918 das BlutvergieSsen des Ersten Weltkriegs ein Ende fand.
Seitdem ist diese Zeit des Jahres fur das Erinnern bestimmt. Nach den Worten der Britischen Legion ist dies eine Gelegenheit, „diejenigen zu ehren, die dienen" und „auf eine friedlichere Welt zu hoffen."
Der Teil der Welt, in der wir leben, wird momentan zum Gluck selten von Kriegen heimgesucht. Doch der „Krieg, der alle Kriege enden sollte", wurde seinem Beinamen bei weitem nicht gerecht. Auch heute scheint das Ziel des Weltfriedens in weiter Ferne zu liegen:
Der Konflikt in Äthiopien hat in diesem Jahr 18000 Tote gefordert und zieht auch die Nachbarlander in Mitleidenschaft. In Afghanistan kommt es nach dem Sieg der wiedererstarkten Taliban weiterhin zu Gewalt. Die Krise im Jemen hat sich durch das Eingreifen Saudi-Arabiens noch verscharft. Mexikos scheinbar endlose Drogenkriege haben allein in diesem Jahr nach Schatzungen einiger Beobachter rund 25000 Todesopfer gefordert.
Fur die Menschen hier mag das weit weg erscheinen. Aber die Rustungsindustrie mit einem Wert von 430 Milliarden Dollar sitzen im Westen und die meisten Waffen werden in den reichsten Landern der Welt hergestellt.
Weltweit belaufen sich die geschatzten Ausgaben fur Armeen auf etwa 2 Mrd. Dollar pro Jahr. Doch das gesamte zerstorerische Potenzial steht nur auf Standby. Ganz zu schweigen von den Atomwaffenarsenalen unter den Ozeanen und im Untergrund, die genug Kraft haben, um die Erde auszuloschen.
Wahrend sich die Welt an die Schrecken des Krieges erinnert, wird eine provokante alte Frage aufgeworfen: Warum nicht einfach die Institutionen abschaffen, die den Krieg ermoglichen?
Manche finden das absurd: Regierungen neigen dazu, die Verteidigung ihres Landes als oberste Prioritat zu betrachten. „Krieg ist furchtbar", sagte Winston Churchill, „aber Sklaverei ist noch schlimmer."
Andererseits gibt es Nationen, die ohne Streitkrafte auskommen. Es gibt 31 davon, darunter Costa Rica, das sein Militar 1949 ganz abschaffte. Befurworter der Entmilitarisierung sagen, dass der Staat dadurch mehr fur die Wirtschaft und das Wohlergehen der Burger ausgeben kann.
Sollten wir alle Streitkrafte abschaffen?
Nein. Wenn einige Nationen Willens sind, ihre Waffen niederlegen, bedeutet das automatisch, dass andere Bevolkerungsgruppen der Gnade von Tyrannen ausgeliefert werden. Wir konnen Schurken nicht davon abhalten, Gewalt anzuwenden, aber wir konnen dafur sorgen, sie im Zaum zu halten.
Ja. Erst wenn wir auf Gewalt verzichten, konnen wir andere Mittel zur Konfliktlosung entdecken. Armeen gibt es nicht wegen der Unvermeidbarkeit des Krieges; aber Krieg ist unvermeidlich, solange es Armeen gibt.
Waffenstillstandtag - Armistice Day
BlutvergieSsen - bloodshed
dienen - site
heimgesucht werden - to be afflicted
in Mitleidenschaft ziehen - to harm
wiedererstarkt - resurgent
Rustungsindustrie - defence industry
Streitkrafte - armed forces
Entmilitarisierung - demilitarisation