Sind wir schuld? Die EU macht Schlepper für das tödlichste Schiffsunglück im Mittelmeer in diesem Jahr verantwortlich. Aber Kritiker sagen, dass die "Festung Europa" Migrant*innen dazu zwingt, ihr Leben auf See zu riskieren.
Schiff der Hoffnung wird zum Friedhof
Sind wir schuld? Die EU macht Schlepper fur das todlichste Schiffsungluck im Mittelmeer in diesem Jahr verantwortlich. Aber Kritiker sagen, dass die "Festung Europa" Migrant*innen dazu zwingt, ihr Leben auf See zu riskieren.
Am Weltfluchtlingstag wurden die Namen von 51.000 Menschen verlesen, die seit 1993 bei dem Versuch, Europa zu erreichen, ums Leben kamen.
Letzten Mittwoch wurde diese Liste noch langer, als ein Fischerboot vor der griechischen Kuste kenterte. Hunderte ertranken.
Es ist die todlichste Migrationsroute der Welt. Die Menschen bezahlen Schmuggler, um vor Krieg und Armut in Afrika und Asien zu fliehen, und viele hoffen auf eine Wiedervereinigung mit ihren Familien.
Zum Beispiel die Verwandten von Shaheen Sheikh Ali aus Syrien. Er kannte 12 Menschen auf dem Boot und ist wutend auf die Schleuser. Sie behandeln uns "wie Fleisch", sagt er. "Meine Verwandten haben nur davon getraumt, nach Europa zu kommen, um zu arbeiten und ihren Familien zu helfen."
Neun mutmaSsliche Menschenhandler wurden verhaftet. EU-Kommissarin Ylva Johansson sagt, dass Europa "die kriminellen Netzwerke" zerschlagen muss, die dafur verantwortlich sind.
Das International Rescue Committee behauptet jedoch, dass Migrant*innen nur wenige Alternativen haben. Der Kontinent ist zu einer "Festung Europa" geworden, in der es kaum noch "legale Wege" fur Migrant*innen gibt, heiSst es.
Zu dieser Politik gehoren 1.800 km Mauern und Zaune, ein 543 Millionen Euro teurer Grenzschutz und Gesetze, die die Rettung ertrinkender Migrant*innen unter Strafe stellen.
"Die Toten sind Opfer von Ungleichheit", sagt die Schriftstellerin Sally Hayden. Europa, so die Kritiker, hat den Rest der Welt jahrhundertelang ausgebeutet und will nun diejenigen, die von seinen Handlungen betroffen sind, fernhalten.
Aber das Mittelmeer ist nicht die Hauptroute fur Gefluchtete. Letztes Jahr kamen 4,8 Millionen Ukrainer legal in die EU, um dem russischen Angriffskrieg zu entfliehen.
"Warum nicht die gleiche Politik fur arabische und afrikanische Migranten?", fragen die Okonomen Klaus F. Zimmermann und Victoria Vernon. Jungste Untersuchungen zeigen, dass Europa diese Menschen braucht, um freie Arbeitsplatze zu besetzen.
Aber weltweit gibt es 110 Millionen Vertriebene. Durch den Klimawandel konnte diese Zahl bis 2050 auf 1,2 Milliarden ansteigen. Wer auch immer dafur verantwortlich ist, ohne MaSsnahmen wird es weitere Katastrophen wie diese geben.
Sind wir schuld?
Ja: Die Europaerinnen und Europaer mussen die Verantwortung fur die Kinder ubernehmen, die vor ihrer Haustur sterben. Ihre Burgerinnen und Burger profitieren von einer wohlhabenden und sicheren Gesellschaft und wir sollten dies nutzen, um die Welt gleicher und sicherer zu machen.
Nein: Menschenhandler uberladen ihre Boote mit verangstigten und verzweifelten Passagieren, um aus dem menschlichen Leid den groSsten Profit zu ziehen. Sie sind letztendlich fur den tragischen Verlust von Menschenleben verantwortlich.
Oder... Wir konnen die Migration nicht aufhalten. Und wir sind weit davon entfernt, einen perfekten Planeten zu schaffen, auf dem jeder alles hat, was er braucht. Aber wir konnen viel mehr tun, um Menschen davon abzuhalten, ihr Leben in gefahrlichen Booten zu riskieren.
Glossar
verlesen (unregelmaSsig) - to read out loud
der Schlepper, die Schlepperin - migrant trafficker
der Fluchtling - refugee
um Leben kommen (unregelmaSsig) - to die
kentern (regelmaSsig) - to capsize
ertrinken (unregelmaSsig) - to drown
todlich - deadly
der Schleuser, die Schleuserin - human traficker
zerschlagen (unregelmaSsig) - to dismantle
der/die Gefluchtete - refugee
die Ungleichheit - inequality
vertrieben - displaced
der Menschenhandler, die Menschenhandlerin - human traficker